the city we became

The City We Became von N.K. Jemisin – Eine Stadt wie keine Andere

In Bücher zum Lesen by LeleLeave a Comment

Wie wohl Berlin’s Avatar aussehen würde? Arm und sexy? Schwarz gekleidet, Sonnenbrille und Techno auf den Ohren? Einen Manpurse umgeschlungen, schicke, kantige Haare in der Shisha-Bar? Gleichzeitig hat Berlin lange nicht so ein Image wie New York. New Yorks Avatar ist schwarz, abgemagert, queer, arm und immer auf der Flucht vor der Polizei. Ja, Berlin hat auch Historie, definitiv, aber die Gesichter der Stadt sind weniger allgegenwärtig. Ein Berliner Äquivalent zu The City We Became von N.K. Jemisin würde schwerfallen.

The City We Became erzählt von Städten, die lebendig werden. Personifiziert in Erscheinung treten. So wie der Avatar von New York, der sich am Anfang vor der Polizei versteckt und noch im ersten Kapitel einen Kampf mit einem großen, weißen, tentakeligen Etwas austrägt, das definitiv Züge von Lovecraft in sich trägt. Der Kampf verläuft nicht gut für New York und kurz darauf ist der Avatar in fünf Teile geteilt. Die fünf Burroughs müssen danach erst einmal mit neuen Fähigkeiten, Bösewichten, einer mysteriösen Frau in Weiß und sich selbst in Rein kommen.

Manny (Manhattan) ist der erste, den wir kennen lernen. Er kommt mit einer Amnesie und leichtem Schwindel in New York an und reitet kurz darauf auf einem Auto durch ein böses weißes Etwas. Das Buch legt durchaus atemberaubendes Tempo an den Tag, weiß aber auch, wann es Zeit für Ruhe und Erklärungen ist. Brooklyn gesellt sich bald zur Party hinzu und Queens, die Bronx und Staten Island sind nicht weit. So wie viele Städte zuvor ist es ihre Aufgabe zusammenzukommen, dem Avatar von New York wieder auf die Beine zu helfen und die Frau in Weiß und ihre uralten Tentakelmonster zu vertreiben. Nur haben sie eigentlich noch ein normales Leben und ist das mit der Realisierung einer Stadt wirklich so gut wie alle immer sagen?

Illustration von Richie Pope zu einer Kurzgeschichte aus der das Buch entstanden ist.

Jemisin rupft ein paar Hühnchen in diesem Buch. Die Frau in Weiß ist eine reale Gefahr und verkörpert gleichermaßen jene Form von Gentrifizierung, die eine Stadt leer und grau zurücklässt. Unsere Held*innen müssen sich gegen rechte Trolle, die Polizei, besessene Starbucks-Filalien und Fremdenfeindlichkeit durchsetzen, in der Hoffnung sich und ihre Stadt zu erhalten. Dabei lässt Jemisin auch die einzelnen Bezirke nicht ohne Schelte, kein Ort ist perfekt, aber diese fünf sind schon etwas besonderes.

Das ist es auch was ich meine, wenn ich mir keine Berliner Variante vorstellen kann. So lebendig und mythologisch wie Jemisin ihr New York beschreibt, so sehe ich Berlin nicht. Vielleicht ist das mein ignoranter Blick, aber Berlin kam mir nie sonderlich mysteriös vor. Ja es gibt trennscharfe Identitäten, aber nicht so stark definiert wie in einer Stadt wie New York. Oder? Vielleicht sind es die Filme und Bücher, die ich konsumiere, die eher in New York als in Berlin spielen. Ich bin beinahe neidisch, ob der fantastischen Darstellung dieser Stadt, die voller Liebe ist und nicht in den Klischees ertrinkt, die ich oben benutzt habe. Klar, ich bin keine Preise gewinnende Autorin, aber auch so, diese Stadt in der ich lebe kommt nicht an die Magie von New York heran.

The City We Became ist wunderschön geschrieben, wenn jemand auf die Stadt New York steht und für Lobpreisungen und Schläge für alle anderen bereit ist. Es macht Spaß Jemisin dabei zuzuschauen, wie sie schwärmt, Lovecraft das gibt, was er verdient und eine sehr spannende Geschichte über Identität, alt und neu, Kunst, Vorfahren und die Rolle von Städten im Großen und Ganzen erzählt. Eine definitive Empfehlung für Fans von New York. Für alle anderen auch, wenn ihr ein wenig Lovecraft mögt und gerne Underdogs beim Kämpfen zuschaut.

Ich durfte ein Leseexemplar des Buches lesen. Jeder gute Buchladen dürfte es euch zuschicken können. Wenn ihr nur ein wenig schnuppern wollt, dann basiert das Buch auf einer Kurzgeschichte.

About the Author

Lele

Wurde von einer Horde wilder Otakus aufgezogen und hat sich danach der westlichen Comicwelt gewidmet. Leles Spinnensinn klingelt wann immer jemand fragt „Warum heißt er eigentlich BATman, wenn er doch eigentlich der Gute ist?“. Er bringt eine umfangreiche Erfahrung in der Comicindustrie mit und die teilt er gerne mit jedem, egal ob er nun davon hören will oder nicht. Immer gut gelaunt spezialisiert sich Lele neben den Comics vor Allem auf Musik. Falls es eine japanische Underground-Band gibt, in der 4 Schulmädchen auf Gummihühner die Werke Mozarts nachspielen, so hat Lele schon ein Interview geplant, ein T-Shirt der Band im Schrank und ein Tattoo der Frontsängerin auf seinem Knöchel. „Also ich habe ja die Bücher gelesen…“ – Lele Lucas

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