Düstere Zukunft – WEEKLY PLANET #116

In Weekly Planet by LeleLeave a Comment

So ein Jahresende ist beeindruckend. So viel getan und an so wenig kann ich mich erinnern. Eigentlich zählen nur die letzten paar Monate. Was war davor? Ich habe keine Ahnung. Vielleicht sollte ich anfangen ein Journal zu führen oder heißt das doch Tagebuch? Irgendwo habe ich was gelesen, das Journal und Tagebuch gegendert hat. Ich wüsste schon gerne was ich wirklich in der ersten Hälfte dieses Jahres gemacht habe.

DRAGONS EAT EVERYTHING UPDATE

Hier schläft alles ein wenig ein. Wir machen zwar weiterhin tolle Sachen, aber ich stelle fest, dass es keinen Sinn macht die Lieblingsdingelisten zu machen, wenn alle Feiertagsaction machen. Aber es kommt immer noch neues!

Marchers, banners and police at Gay Pride march, London, [1974].

The Light Brigade von Kameron Hurley

Kameron Hurley schriebt alle zwei Monate eine Kolumne für Locus, ein Magazin für SFF und Horror Literatur. Diese Kolumnen lese ich sehr gerne, sie sind nah, wütend und enthalten immer genug Weisheit um nicht predigend zu sein. Daneben schreibt Hurley interessante und durchdachte Science Fiction. „The Light Brigade“ ist ihr Buch für 2019 und es ist kompliziert, wütend und nachdenklich auf die beste Art und Weise.

Dietz meldet sich freiwillig für die Armee der lokalen Megacorp. Nicht etwa um irgendwann als „Citizen“ gewisse Privilegien erfahren zu können, sondern um es den Marsianern, den Aliens heimzuzahlen. Diese haben in einem Event, dass als „Blink“ bekannt ist alle übrigen Familienmitglieder von Dietz verschwinden lassen. Um Soldat*innen von hier nach da zu bewegen, werden sie in Licht umgewandelt. Das gilt es einfach zu akzeptieren. Für Dietz verlaufen die Kampfeinsätze von Anfang an anders. Zeit und Ort der Ankunft sind nicht wie geplant und so entfaltet sich Stück für Stück eine Geschichte um Zeitreisen, doppelte Böden und eine Zukunft in der gigantische Firmen entweder sich selbst oder etwas fremdes bekämpfen.

Kameron Hurley spart mit nichts in diesem Buch – weder an Gewalt noch an Kritik an unserem oder zukünftigen Systemen. Sie erinnert mich dabei an „Walkaway“ von Cory Doctorow. Das Buch bestand zu großen Teilen aus den eigenen Gedanken Doctorows zur Zukunft, zu utopischen Gesellschaften und zu allerlei anderen Dingen. Dabei geriet der Plot in den Hintergrund und verschwand teilweise gänzlich. Hurley gelingt es dagegen Systemkritik einzuweben und viel eher als realistischen Gesprächsstoff zu verwenden. Die Soldat*innen, die von hier nach da geschickt werden, um im Namen von Firmen Krieg zu führen, diskutieren ihre Umstände. Sie argumentieren und streiten über ihre Zukunft und Situation, das macht sie zu nachvollziehbaren Charakteren.

Was ich super cool fand, ist das Dietz nicht gegendert wird. Es ist das Buch über unklar wie der Charakter gelesen wird oder sich selbst einordnet. Eine Kleinigkeit, die mir erst gegen Ende bewusst wurde und die mich beeindruckt hat. Genauer gesagt, es ist nie Thema, es spielt ganz einfach keine Rolle und das finde ich gut. Weniger gut ist der Spiegel, der mir gezeigt hat, dass ich gegendert habe und damit nicht unbedingt richtig lag.

Neben diesen philosophischen und kritischen Strängen ist „The Light Brigade“ immer noch ein Buch im Genre „military science fiction“: Es geht von der Ausbildung in den Kampf. Tatsächlich gibt es gar nicht so viele Kampfhandlungen wie erwartet. Wenn es dann doch zur Sache geht, dann haben sie Situationen es in sich. Sie sind direkt, spannend und intensiv.

Die Krux einer Zeitreisegeschichte ist das Ende. „The Light Brigade“ schafft das Superheroelanding nicht ganz. Der eine Fuß ist ein bisschen daneben. Das tut dem Erlebnis aber nicht weh, denn in diesem Fall war der Weg dahin ausgezeichnet.

The Light Brigade ist bei Angry Robot erschienen. Ich habe mir das Buch gekauft. Kameron Hurley hat einen sehr aktiven Patreon, den ihr gerne unterstützen könnt. Auch für Fans von „Edge of Tomorrow“ geeignet.

Colliery Lasses, British Coal strike
[between ca. 1910 and ca. 1915]

Lesestoff

Im Hintergrund laufen die „best Songs of 2019“, die der Blog Said the Gramophone jedes Jahr zusammenstellt – immer wieder ein Fest.

Certainly there are plenty of people who insist that this occupational stagnation is poised to be disrupted in the coming years because “robots are coming for your jobs.” A word, please. Robots aren’t coming for your jobs, but management may well be. Employers will be the ones to make the decision to replace human labor with automated labor. But even this talk about the impending AI revolution is speculative. It’s agitation propaganda. The AI revolution has been impending for about 65 years now. But this time, this time I’m sure it’s for real.

Is it any wonder that in a century dominated by surveillance, paranoia, terrorism, rendition, financial collapse, and hard borders our language has retreated? Our reality, for years now, has been of individual survival under austerity; the erasure of the public in a city of stagnating wages that in eight years lost half its youth centers and half its nightclubs and saw them replaced with sterile glass towers. One by one London’s houses, monuments, newspapers, and artworks are being eaten up by the searching, liquid capital of Indian steel tycoons and Arab petrolords and Russian disaster capitalists. Of course the language has stopped growing: where are we even supposed to talk to each other now?

So viel dazu.

Outro

Puha. So liebe Menschen, lasst euch in der Weihnachtszeit nicht von anderen Leuten stressen. Geht nicht am Samstag einkaufen, auch nicht um mir „Hallo“ zu sagen. Alle werden es euch danken. Die letzte Ausgabe 2019 kommt am 29.12. oder auch nicht. Einen Rückblick gibt es auf jeden Fall noch, aber wie kann ich den jetzt schon machen, wenn ich immer noch gute Sachen lese und Star Wars noch vor der Tür steht?

Bis bald.

About the Author

Lele

Wurde von einer Horde wilder Otakus aufgezogen und hat sich danach der westlichen Comicwelt gewidmet. Leles Spinnensinn klingelt wann immer jemand fragt „Warum heißt er eigentlich BATman, wenn er doch eigentlich der Gute ist?“. Er bringt eine umfangreiche Erfahrung in der Comicindustrie mit und die teilt er gerne mit jedem, egal ob er nun davon hören will oder nicht. Immer gut gelaunt spezialisiert sich Lele neben den Comics vor Allem auf Musik. Falls es eine japanische Underground-Band gibt, in der 4 Schulmädchen auf Gummihühner die Werke Mozarts nachspielen, so hat Lele schon ein Interview geplant, ein T-Shirt der Band im Schrank und ein Tattoo der Frontsängerin auf seinem Knöchel. „Also ich habe ja die Bücher gelesen…“ – Lele Lucas

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