Irgendwo hieß es vor kurzem Kontext sei alles. Das ist schön, gut und richtig, aber was machen wenn der Kontext fehlt? Ich habe vor einiger Zeit Walkaway von Cory Doctorow für eben diese Seite rezensiert. Irgendwann danach habe ich eine Rezension von Bruce Sterling gelesen, musste ihr mehr Recht geben und fragte mich wie mir diese Dinge so entgehen konnten? Ist es eine Frage des Wortschatzes, oder eine Sache der Dinge die überhaupt erst auffallen? Mir fällt an dieser Stelle auf wie viel Kontext oder besser Rahmen mir fehlt. Ich kann Dinge lesen, absorbieren oder aufessen und sie in dem Moment für das genießen was sie sind. Ich scheine weniger fähig das Konsumierte in einen größeren Kontext zu stellen und von einer gewissen Entfernung aus zu beobachten.
Ich muss also lernen meine Blase zu erweitern, mehr Dinge zu sehen und zu kontextualisieren. Angefangen wird mit Bitch Doctrine von Laurie Penny. Hui, was für ein wunderbar dichtes Geflecht aus Meinung diese Essays sind, fantastisch, faszinierend und furchterregend in einem. Es gibt so viel zu lernen.
Selbigen Gedanken hatte ich als ich bei BlackDog eine Ausgabe des Locus Magazins in die Hände bekam. Als professionelles Fanzine gibt es Locus sicherlich seit Anbeginn der Zeit. Hier gibt es zahlreiche Reviews von Magazinen, Anthologien und Büchern und eine ewig lange Liste der Bücher die im betroffenen Monat im Bereich Science Fiction, Fantasy und Horror erschienen sind, verdammt sind das viele. Ich befinde mich dann an einer interessanten Kreuzung, vielleicht gibt es einen Mittelweg, aber kann ich in allen Feldern gleichzeitig stehen? Kann ich Comics vervolgen, Musik kennen und einen Überblick über aktuelle Bücher haben? Und all das an einem Ort der nicht mit dem entsprechenden Markt übereinstimmt? Kein Wunder, dass ich nicht gerade denken kann.
Mini-Rezension
Company Town von Madeline Ashby (Tor Books)
Ich habe Madeline Ashby via vN und iD bei Angry Robot kennengelernt und weiß nicht ob die beiden gut gealtert sind. Den Grundzug von ungewöhnlicher und faszinierender Science Fiction hat sich Ashby behalten. Hwa ist Bodyguard für Sex Arbeiterinnen auf einer Ölinsel/Stadt/futuristisches Loch mittem im Meer. Sie ist die Art von no-nonsense Bodyguard die der Arbeitsbereich benötigt und beliebt bei den Arbeitenden und gefürchtet bei Kunden. Dann wird die Stadt aufgekauft und Hwa wird als Leibwächterin für den zukünftigen Erben des kaufenden Konzerns angeworben. Es folgt ein Serienmörder und einige sehr ansehliche Kampfszenen die von einer wirklich gut gebastelten Welt getragen werden. Company Town ist ein gutes Buch für Unterwegs, eines das jede Fahrt kürzer erscheinen lässt. Es ist intelligent an den richtigen Stellen, selbstbewusst und oft sehr cool. Zum Ende hin zerfällt die Story ein wenig, sie bleibt spannend wird aber etwas verwirrend und leicht unbefriedigend.
Links
Der Einfachheit wegen würde ich die RIAA in den USA mit der GEMA vergleichen. Eben diese Vereinigung hat vor kurzem verkündet, dass es zu anstrengend wäre Künstler* innen immer ihren Werken zuzuweisen. Dabei geht es zum Beispiel um Streamingservices. Tor.com mit einer Reihe von atemberaubenden, sehr detaillierten Blicken in die Ghibli-Filme. Miyazakji ist übrigens doch wieder am Start. Als ob der Mann ohne Filme Ruhe finden könnte. Autor* innen nehmen Lovecraft auseinander und es ist wundervoll sie dabei zu beobachten. Es ist eine faszinierende Sache wie die Werke eines rassistischen Menschen seziert und verwandelt werden. Margeret Atwood hat einen neuen Nachruf für Ray Bradbury verfasst. Bei Comic Book Underground wird eine Lobeshymne auf Kelly Sue DeConnick gesungen. Shingoworks bietet ein World-Building Tutorial. Polygon plädiert für den entgültigen Tod von Superhelden, nicht generell, sondern in ihren Stories, eines meiner liebsten Themen. Achtung Spoiler für Defenders. Außerdem hat die Seite einen Auszug aus einem Buch von Walt Williams gepostet. Alleine sieht das aus wie die Verherrlichung einer ungesunden Arbeitspraxis. Im Kontext der Person Williams ist es jedoch die traurige Beschreibung einer Art Sucht. Ich kenne Crunchen auch, weniger krass und an anderen Orten, aber die letzten paar Minuten vor einer großen Sendung sind das was dem am nächsten kommt. Mein ganzes Leben so zu gestalten, erscheint mir als eine gruselige Vorstellung. Joe McCulloch bietet einen Blick in die Archive von Lighting Comics und Big Bang Comics geht es um nicht abgeholte Comics. Abschließend bietet „The Futility Closet“ eine amüsante Reihe von Sprüchen vor amerikanischen Kirchen.
Letzte Woche habe ich von Ran and the Gray World geschwärmt. Diese Woche habe ich den Manga zu Ende gelesen und es sehr genossen. Zusammen mit den wunderschönen Illustrationen erzählt Aki Irie eine herzerwärmende Geschichte vom Erwachsenwerden. Hier noch mal eine weitere Kostprobe. Der erste Panel schafft die Szene, der zweite den Gedanken und im dritten, in dem die wirklich wichtigen Wörter langsam und gewählt gesprochen werden, verschwindet das Geräusch des Meeres in die obere Ecke. Es ist immer noch da, aber nicht mehr zentral. Wichtig ist Haimachi, der Ran tröstet.
HEY, COMICS!
The Hard Place (Doug Wagner, Nic Rummel, Charlie Kirchoff, Brian Stelfreeze & Nic Rummel – Image Comics, $3,99)
Was mich hier anzieht ist der Zeichenstil. Doug Wagner hat mit Plastic nicht gerade was gutes geschaffen und die „aus-dem-Gefängnis-raus“ Story spricht mich auch nicht gerade an, aber diese Bilder sind sehr ansprechend.
Moonstruck #2 (Grace Ellis & Shae Beagle – Image Comics, $3,99)
Nach einem angenehmen, leicht verwirrenden und geradezu niedlichen ersten Heft (letzteres ist komplett positiv gemeint), folgt jetzt das Zweite. Wir unsere Werwölfin die wahre Liebe finden? Kann ihr zentaurischer Kollege endlich seinen Schwarm ansprechen? Ich freue mich schon darauf.
Hi-Fi Fight Club #1 (Carly Usdin, Irene Flores & Nina Vakueva – Boom! Studios, $3,99)
Fünft Wörter: teen girl vigilante fight club. Fuck yes. Die Preview sieht auch ziemlich gut aus. Vielleicht löst das die Lumberjanes bei mir ab, die sind immer noch wundervoll, habe aber irgendwie ihren Reiz verloren.
Edge of Venomverse #5 (Clay Chapman, James Stokoe & Francesco Mattina – Marvel, $3,99)
Stokoe zeichnet Venom. Bäm. Take my Money.
So liebe Menschen, passt auf euch auf, legt die VR-Brille mal zur Seite, zieht die gemütliche Hose an und genießt mal ohne den blauen Vogel, Instagram oder Facebook. Gönnt euch nen Podcast oder so. Zwinker, Zwinker