So viel zu sehen – WEEKLY PLANET #118

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Guten Abend!

Mein Schreibprogramm wollte eben aus Intro, Hinterkopf machen. Okay dann. Willkommen zu einer weiteren Ausgabe vom WEEKLY PLANET! Das zweite Mal in neuem Gewand wird es heute um Aufmerksamkeit gehen. Ich sollte Strichliste führen, wie häufig ich mich vom Schreiben ablenken lasse.

DRAGONS EAT EVERYTHING Update


Marseille, le vieux port Gœneutte, Norbert , Graveur En 1891

How to Do Nothing von Jenny Odell

Ich habe Probleme mit meiner Aufmerksamkeit. Es fällt mir schwer, mich für längere Zeit auf genau eine Sache zu konzentrieren. Ich springe umher und merke dann, nach einer Weile, dass ich eigentlich nichts anderes mache, als die selbe Seite zum fünften Mal runterzuscrollen. Nicht umsonst lese ich fast nur noch in der Bahn, wo es keine andere Möglichkeit gibt mich abzulenken. Im 98. WEEKLY PLANET habe ich von Jenny Odell und ihrem kommenden Buch How to do Nothing erzählt. Jetzt habe ich das Buch über den Jahreswechsel gelesen und für sehr gut befunden.

In dem Buch verbindet Jenny Odell persönliche Anekdoten und ausgewählte Beispiele von Widerstand gegen das laufende System. Sie erzählt von Kommunen, die versucht haben auszusteigen und von stinkreichen Männern, die versuchen neoliberale Utopien zu schaffen. Odell blickt auf Diogenes, der mit seiner Zeit ständig Widerstand geleistet hat und erzählt von ihrem Wunsch nach gemeinsamer und gerichteter Aufmerksamkeit.

Sie spricht an, dass nicht jede Person einfach so „Nein“ zu Facebook oder Twitter sagen kann. Für manche sind diese Systeme wichtig, sei es um in Kontakt zu bleiben oder um etwas zu verkaufen. Sie bietet auch keine Listen von ratsamen Dingen. Stattdessen schreibt über einen bewussten und radikalen Umgang mit der eigenen Zeit und der eigenen Aufmerksamkeit. Sie macht das in dem sie rausgeht und Vögel beobachtet. Jemand anderes könnte das anders machen. Das mit den Vögeln funktioniert ganz gut. Durch einen Park zu gehen und darauf zu achten woher das Gezwitscher kommt ist manchmal besser, als zügig mit Musik auf den Ohren durchzustapfen.

Neben dem Fokus auf die Natur blickt sie auch auf vergangener Bewegungen und Künstler*innen, die sich mit Zeit, Arbeit und der Instandhaltung des eigenen Körpers auseinandergesetzt haben. Sie erzählt beispielsweise vom Kampf um den „8-Stunden-Tag“ – „Eight hours for work, eight hours for rest and eight hours for what you will.“ Es gibt viel zu entdecken und so einige Sprungbretter für weitere Lektüre.

Neben der individuellen spricht Odell auch von einer kollektiven Ebene, auf der die Gesellschaft keine Aufmerksamkeit mehr für desaströse Politik oder Verbrechen gegen die Menschheit hat. „what happens when people regain control over their attention and begin to direct it again, together“, heißt es da. Sie nimmt Aufmerksamkeit auch als Linse, um auf systemische Ungleichheit zu schauen: „It is with acts of attention that we decide who to hear, who to see, and who in our world has agency. In this way, attention forms the ground not just for love, but for ethics.“ How to do Nothing ist kein typisches Self-Help Buch, ich würde meinen es ist mehr als das:

I’m suggesting that we protect our spaces and our time for non-instrumental, noncommercial activity and thought, for maintenance, for care, for conviviality. And I’m suggesting that we fiercely protect our human animality against all technologies that actively ignore and disdain the body, the bodies of other beings, and the body of the landscape that we inhabit.

Das Buch basiert in Teilen auf einem Vortrag und dem dazugehörigen Artikel. Es existiert bisher nur als Hardcover.


Le marché de Pontoise, place du Petit Martroy Gœneutte, Norbert , GraveurFin 1894

Lesestoff

Ich scrolle mich langsam durch meine Musik. Aktuell läuft „Youth in Youth“ von Annabel, von denen ich immer noch ein T-Shirt habe. Ich meine, die waren um 2012 rum in Berlin. Aber auf dem Shirt sind Katzen drauf. Mit dem Song „Our Days Were Numbered“ haben sie mich damals verzaubert und gefangen genommen. Das war live der Hammer.

  • „Words we don’t have“ ist ein etwas älterer Blog über Wörter, die es in der englischen Sprache nicht gibt. Der Link führt zu „Tsundoku“:

Buying books and not reading them; letting books pile up unread on shelves or floors or nightstands.

  • Stuff in Space ist eine Visualisierung all der Dinge die so um die Erde herum kreisen. Und hey, das sind sehr viele.
  • Eine Karte der Kabel, die uns das Internet von einem Kontinent zum Anderen leiten
  • Are You being Served war eine Konferenz mit feministischer Sicht auf Server, das Netz und die Angebote des selben. Entstanden ist dabei eine lineare pdf, die sich aber auch je nach Interessengebiet auf der Hauptseite durcheinander genießen lässt.
  • Von dort bin ich bei Open Source Publishing gelandet und pausiere das Schreiben für eine Minute, um da zu wühlen.
  • HackCurio ist eine Sammlung von Videos und Texten, die es sich zur Aufgabe gemacht haben „Hacken zu erklären“ – eher aus kultureller Sicht als aus technischer.
  • „The WELL“ ist so wundervoll altbacken. Die Unterhaltung in diesem Fall ist jedoch sehr interessant. Bruce Sterling ist bekannter Autor und schreibt hier in kurzen Abschnitten über den Zustand der Welt 2020. Ernüchtern, amüsant und eloquent wird hier über so einiges diskutiert.
  • Meg Elison schreibt über das Schreiben im Internet als Frau und nimmt sich vor kein Blatt mehr vor den Mund zu nehmen.
  • Über Autor*innen und ihre liebsten Schreibgeräte #penpr0n
  • Was das Internet von der Druckerpresse lernen kann. Bücher sind eine wilde Sache, es geht unter anderem um Gutenberg Bibeln: „Harvard’s copy was briefly stolen, in 1969, by a troubled young man who smashed its glass encasement, took the book, climbed out a window, and knocked himself unconscious when he fell to the ground; charges were dismissed on grounds of mental illness, and the thief went on to become an adult-film star.“
  • Isaac Asmiov ist einer der berühmtesten Science Fiction Autoren. Er war außerdem dafür bekannt, seine Hände nicht bei sich behalten zu können.

Gastibelza Rochegrosse, Georges-Antoine , Peintre Vers 1886

Outro

Das wars mal wieder. In zwei Wochen gibt es die nächste Ausgabe. Bleibt gesund bis dahin. Genießt die längeren Tage und hört mal genau hin, wenn ein Vogel zwitschert. Das tut gut. Sagte er, als ob es eine neue Erfindung wäre. Puha.

Bis bald.
Lele

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