Kameron Hurley schreibt alle zwei Monate eine Kolumne für Locus, ein Magazin für SFF und Horror Literatur. Diese Kolumnen lese ich sehr gerne, sie sind nah, wütend und enthalten immer genug Weisheit um nicht predigend zu sein. Daneben schreibt Hurley interessante und durchdachte Science Fiction. „The Light Brigade“ ist ihr Buch für 2019 und es ist kompliziert, wütend und nachdenklich auf die beste Art und Weise.
Dietz meldet sich freiwillig für die Armee der lokalen Megacorp. Nicht etwa um irgendwann als „Citizen“ gewisse Privilegien erfahren zu können, sondern um es den Marsianern, den Aliens heimzuzahlen. Diese haben in einem Event, dass als „Blink“ bekannt ist alle übrigen Familienmitglieder von Dietz verschwinden lassen. Um Soldat*innen von hier nach da zu bewegen, werden sie in Licht umgewandelt. Das gilt es einfach zu akzeptieren. Für Dietz verlaufen die Kampfeinsätze von Anfang an anders. Zeit und Ort der Ankunft sind nicht wie geplant und so entfaltet sich Stück für Stück eine Geschichte um Zeitreisen, doppelte Böden und eine Zukunft in der gigantische Firmen entweder sich selbst oder etwas fremdes bekämpfen.
Kameron Hurley spart mit nichts in diesem Buch – weder an Gewalt noch an Kritik an unserem oder zukünftigen Systemen. Sie erinnert mich dabei an „Walkaway“ von Cory Doctorow. Das Buch bestand zu großen Teilen aus den eigenen Gedanken Doctorows zur Zukunft, zu utopischen Gesellschaften und zu allerlei anderen Dingen. Dabei geriet der Plot in den Hintergrund und verschwand teilweise gänzlich. Hurley gelingt es dagegen Systemkritik einzuweben und viel eher als realistischen Gesprächsstoff zu verwenden. Die Soldat*innen, die von hier nach da geschickt werden, um im Namen von Firmen Krieg zu führen, diskutieren ihre Umstände. Sie argumentieren und streiten über ihre Zukunft und Situation, das macht sie zu nachvollziehbaren Charakteren.
Was ich super cool fand, ist das Dietz nicht gegendert wird. Es ist das Buch über unklar, wie der Charakter gelesen wird oder sich selbst einordnet. Eine Kleinigkeit, die mir erst gegen Ende bewusst wurde und die mich beeindruckt hat. Genauer gesagt, es ist nie Thema, es spielt ganz einfach keine Rolle und das finde ich gut. Weniger gut ist der Spiegel, der mir gezeigt hat, dass ich gegendert habe und damit nicht unbedingt richtig lag.
Neben diesen philosophischen und kritischen Strängen ist „The Light Brigade“ immer noch ein Buch im Genre „military science fiction“: Es geht von der Ausbildung in den Kampf. Tatsächlich gibt es gar nicht so viele Kampfhandlungen wie erwartet. Wenn es dann doch zur Sache geht, dann haben sie Situationen es in sich. Sie sind direkt, spannend und intensiv.
Die Krux einer Zeitreisegeschichte ist das Ende. „The Light Brigade“ schafft das Superheroelanding nicht ganz. Der eine Fuß ist ein bisschen daneben. Das tut dem Erlebnis aber nicht weh, denn in diesem Fall war der Weg dahin ausgezeichnet.
The Light Brigade ist bei Angry Robot erschienen. Ich habe mir das Buch gekauft. Kameron Hurley hat einen sehr aktiven Patreon, den ihr gerne unterstützen könnt. Auch für Fans von „Edge of Tomorrow“ geeignet.