Gebärdensprache in phantastischen Welten – WEEKLY PLANET #93

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In dieser Ausgabe kommt der WEEKLY PLANET meiner vagen Vorstellung von seiner Form nahe. Paula hat einen Stutenbiss über ein kleines wichtiges Buch geschrieben und Hanna kommentiert den Umgang mit Gebärdensprache in der zweiten Staffel von The Dragon Prince (Netflix). Meine vage Vorstellung ist die eines kleinen Magazins und wenn andere Leute darin schreiben, dann wirkt das professioneller. Auf geht’s!

DRAGONS EAT EVERYTHING UPDATE

Am Mittwoch habe ich über aktuelle gute Musik geschrieben. Ich freue mich sehr auf das Coathangers Album. Am Freitag haben Paula, Maurice und ich im Radio über Facebook, Moderationssklaven, Entlassungen in der Videospielbranche und die kommende Comicinvasion gesprochen. Der aktuelle AYCE Podcast enthält ein Interview mit Dyse.

via Oscar Vega
Stutenbiss der Woche: Chimamanda Ngozi Adichie
von Paula Georgi

Eltern Ratschläge zu ihrer Kindererziehung geben ist ein gewagter Move. Erst recht, wenn die ratschlaggebende Person keine Kinder hat. In fast allen Fällen gilt deshalb: einfach die Klappe halten und lieber die Eltern nach ihren Bedürfnissen fragen und Hilfe anbieten.
Die Autorin Chimamanda Ngozi Adichie wurde von einer Freundin allerdings um Rat gebeten. Die Freundin hat gerade ein Mädchen zur Welt gebracht und steht nun vor der Frage, wie sie dieses Kind am besten zu einem selbstbewussten, emanzipatorischen Menschen erzieht. Daraufhin hat Chimamanda Ngozi Adichie einen Brief geschrieben und kurze Zeit später ein kleines Büchlein mit 15 Ratschlägen daraus gemacht: Liebe Ijeawele Wie unsere Töchter selbstbestimmte Frauen werden.

Die meisten Ratschläge sind Feminist*innen bekannt und das Buch wartet mit wenigen neuen Erkenntnissen zum Thema auf. Doch die Kraft in diesem Buch liegt zum einen in seiner Kürze und damit Prägnanz und zum anderen in seinem konkreten Anwendungsfeld. Dazu schreibt Chimamanda Ngozi Adichie äußerst behutsam und zeigt auf, dass Erziehung kein festgelegter Weg sein kann, sondern viele kleine und große Stolpersteine beinhaltet und vor allem eines braucht: Geduld. Die eigenen Kinder ermutigen, sie nie in eine Schublade stecken, sie zu sensibilisieren für sich und andere, das sind einige Ratschläge, die Chimamanda Ngozi Adichie ihrer Freundin mit auf den Weg gibt.

Chimamanda Ngozi Adichie schreibt hauptberuflich Romane und lebt in Maryland und Lagos.

Liebe Ijeawele
Wie unsere Töchter selbstbestimmte Frauen werden
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2017
ISBN 9783596299683
Taschenbuch, 80 Seiten, 8,00 EUR

via Matthew Cook
Lesestoff

Musik heute vom aktuellen Yann Tiersen Album „ALL“ und von Apparat und der „LP5„.

  • Ghostbusters and who gets to be mad online / sehr guter Kommentar zu Männern, die meinen so etwas wie Ghostbusters zurücknehmen zu müssen. Denn Es sei ja nicht mehr ihres, nachdem die Charaktere zu größten Teilen von Frauen gespielt wurden. Ja, lasst uns zurück gehen, zu einem Film, der nicht sehr gut gealtert ist…
  • Facebook startet Patreon Killer / Patreon hat so seine Probleme, die Platform kann Sex-Worker*innen nicht leiden und meint ihr ansonsten gut laufendes System den Bach runter laufen lassen zu müssen. ABER sie sind kein Facebook. Das Gesichtsbuch wiederum versucht hier einzusteigen und hat nichts davon verstanden.
  • Im aktuellen NINJA PIRATE BROADCAST haben wir über Facebooks Moderator*innen gesprochen. Matt Haughey erklärt, warum es keine einfache Lösung gibt. Und hier ist eine Radiolab Folge über das Manual, das bei Facebook bestimmt was okay ist und was nicht.
  • Eine Kritik an den Lügen und Halbwahrheiten die Bohemian Rapsody anscheinend erzählt.
  • Unterwasser Foto des Jahres

Hier ein paar Sachen zum Thema Comics!

  • Sarrah Horrocks über Daisuke Igarashi und seine Art Manga zu zeichnen.
  • Reprodukt veröffentlicht eine neue Comicsammlung von Robert R. Crumb, der hier vom Deutschlandfunk Kultur besprochen wird. Die Besprechung ist interessant, weil sie das „ätzende“ Gefühl eines Crumb Comics aufgreift. Der Mann bedient sich rassistischen oder sexistischen Illustrationen und wird dann als ironisch beschrieben. Wann und wie sowas wirklich funktioniert erscheint mir fragwürdig. Seine Wichtigkeit in der Geschichte der Comics in allen Ehren, aber irgendwann reicht es auch mit den Lorbeeren.
  • Es gibt einen neuen Comic Award, den GINCO. Das steht für „German Inclusive/Independent Comic“. Ich finde das ziemlich spitze.
  • Die Menschen von Comic Solidarity sind auch am GINCO beteiligt.
  • Dan Barry zeichnet aktuell Tagebuch Comics über eine Reise.
  • Short-Box #10 ist angekündigt und ich bin ganz aus dem Häuschen! Es gibt einen James Stokoe Comic und das allein macht meinen Geldbeutel locker wie sonst kaum etwas anderes.
via Peo Michie
Kommentar zu Gebärdensprache in der zweiten Staffel von The Dragon Prince
von Hanna Amalia

Vor circa zwei Wochen ist die zweite Staffel von Dragon Prince bei Netflix erschienen und ich habe sie mir mit Genuss angeschaut. Die erste Staffel hatte mir weniger Spaß gemacht, nicht zuletzt wegen des holprigen Animationsstils und der wenig einfallsreichen Handlung. Warum habe ich sie dann überhaupt geschaut? Weil ich das Genre so gerne habe, der schottische Akzent der Elfe Rayla mich sehr froh gemacht hat und ich insgeheim vielleicht auch auf eine bessere zweite Staffel gehofft hatte. Meine Wünsche wurden erhört. Allgemein kann ich sagen, dass die zweite Staffel mir wirklich großen Spaß bereitet hat. Die Charaktere und ihre Beziehungen miteinander haben mehr Tiefe bekommen, haben sich weiterentwickelt und das meiste war weniger vorhersehbar als in der ersten Staffel.

Die Charaktere bei Dragon Prince sind ziemlich divers, beispielsweise hinsichtlich der Hautfarbe, Behinderungen oder auch der sexuellen Orientierung. Da gibt es zum Beispiel die gehörlose Generalin Amaya, die zum einen sehr mutig, zum anderen aber auch gerissen für das Königreich der Menschen kämpft. Die Darstellung einer so tatkräftigen und von allen respektierten gehörlosen Frau hat mir sehr gefallen, hier kann man ohne Zweifel von Empowerment reden. Schön fand ich auch, dass sie gebärdend dargestellt wird und die Amerikanische Gebärdensprache so sichtbar gemacht wird. Was mir überhaupt nicht gefallen hat ist, dass mit wenigen Ausnahmen fast alle Charaktere mit ihr wiederum sprechen und sie den Inhalt des Gesagten an den Lippen absehen muss. In der Serie scheint das kein Problem zu sein und man kann vermuten, dass sie alles verstanden hat. In der Realität gestaltet sich das häufig nicht so einfach oder selbstverständlich. In der deutschen Sprache kann man nur ca. 30% des Gesagten von den Lippen direkt absehen – den Rest muss man raten. Ein knappes Drittel ist wirklich nicht viel und Absehen kostet die Hörgeschädigten auch viel Konzentration. Zudem muss dafür auch ein direkter Blickkontakt hergestellt werden, Pausen sind wichtig und insbesondere in Gesprächen in einer Gruppe sollte einander ausgeredet werden lassen, damit alle folgen können. Kaugummis sind hier fehl am Platz, sogar Bärte können die Kommunikation beeinträchtigen. Absehen ist wirklich nicht ohne und häufig eine anstrengende, frustrierende Angelegenheit, auch wenn einige Gehörlose es auch in unserer Realität augenscheinlich ganz gut beherrschen. Das heißt aber nicht, dass man sich darauf verlassen sollte. Irgendwie erscheint mir das auch zu bequem für die Normalhörenden, ich finde, es ist ein typischer Fall von: die Person einer Minderheit muss sich an die Mehrheit und ihre Gepflogenheiten anpassen. Klar kann Absehen auch für einige Personen und in bestimmten Situationen funktionieren, aber es ist nicht selbstverständlich, dass sie dann trotzdem alles verstehen.

Um jetzt zurück zum Dragon Prince zu kommen: Ich hätte mir mehr gebärdensprachliche Kommunikation MIT Amaya gewünscht, nicht nur VON ihr. Warum lassen sie die anderen Figuren nicht auch gebärden? Insbesondere von den Familienmitgliedern und ihren direkten Kolleg*innen kann man doch auch annehmen oder hoffen, dass sie zumindest eine grundlegende Kompetenz in der Gebärdensprache haben. Die entsprechenden Szenen könnte man dann untertiteln und schon wäre es in meinen Augen realistischer. Oder auch mal eine Figur als Dolmetscher einsetzen, so wie es in der ersten Staffel getan wurde. Wenn schon gehörlos, dann auch mit mehr Gebärdensprache, das ist jedenfalls mein Fazit.

The Dragon Prince ist eine Netflix Serie. Es gibt zwei Staffeln, die sich um Drachen, Magie, Elfen und schwammige Definitionen von Gut und Böse drehen.

via Peo Michie
Outro

Wie gefällt das Format? Mehr davon oder soll ich lieber mehr über Comics und Bücher schwafeln? Oder beides? Was ist eigentlich ein „zu langer“ Newsletter? Am Ende des Tages wurde das Mausrad wohl nicht ohne Grund erfunden. Einmal mehr Dank an Paula und Hanna für die Beiträge. Ich kann an dieser Stelle nur eine wunderbare Woche wünschen. Lasst es euch gut gehen, lasst euch nicht ärgern und lehnt euch zurück. Morgen dürfte sich die Erde immer noch drehen.

About the Author

Lele

Wurde von einer Horde wilder Otakus aufgezogen und hat sich danach der westlichen Comicwelt gewidmet. Leles Spinnensinn klingelt wann immer jemand fragt „Warum heißt er eigentlich BATman, wenn er doch eigentlich der Gute ist?“. Er bringt eine umfangreiche Erfahrung in der Comicindustrie mit und die teilt er gerne mit jedem, egal ob er nun davon hören will oder nicht. Immer gut gelaunt spezialisiert sich Lele neben den Comics vor Allem auf Musik. Falls es eine japanische Underground-Band gibt, in der 4 Schulmädchen auf Gummihühner die Werke Mozarts nachspielen, so hat Lele schon ein Interview geplant, ein T-Shirt der Band im Schrank und ein Tattoo der Frontsängerin auf seinem Knöchel. „Also ich habe ja die Bücher gelesen…“ – Lele Lucas

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